Wintersession Grosser Rat 2019
Wintersession vom 25.11. - 9.12.2019
Das Wahljahr 2019 prägte auch die vergangene Wintersession, indem der Grosse Rat viele „wahlkampftaktische“ Vorstösse auf der Traktandenliste vorfand, die nun abgearbeitet worden sind. Unüblicherweise dauerte deshalb die Session zwei Tage länger, doch damit konnte der grosse Pendenzenberg abgearbeitet und die vielen Vorstösse beraten und abgeschlossen werden.
Voranschlag 2020 und Aufgaben- und Finanzplan 2021
Die Wintersession ist immer auch die Zeit der Finanzdebatten. Der Grosse Rat hat den Voranschlag genehmigt, der einen Ertragsüberschuss von rund 218 Mio. Franken vorsieht. Auch in den nächsten Jahren wird mit Überschüssen gerechnet. Gestützt auf diese Einschätzung versuchten diverse Fraktionen mehr oder weniger erfolgreich, am Voranschlag „herumzuflicken“.
Die grösste Konsequenz hatte ein Antrag von der BDP mit der FDP und der SVP, der angenommen wurde. Demnach muss die Regierung auf 24.7 Vollzeitstellen verzichten, die sie zusätzlich schaffen wollte und zwar, obschon der Grosse Rat mehrfach mit Vorstössen forderte, dass bei der Zentralverwaltung Stellen einzusparen sind. „Wir können es nicht akzeptieren, wenn Aufträge an die Regierung ignoriert werden“ (Zitat Jakob Etter, BDP anlässlich der Budgetdebatte).
Bezüglich Aufgaben- und Finanzplan folgte der Grosse Rat zwei Anträgen der Finanzkommission. Diese fordertne insbesondere die Verbesserung der Koordination der Investitionen und die bessere Ausschöpfung der Investitionsbeträge.
Die folgenden Gesetze wurden beraten, diskutiert und verabschiedet:
Steuergesetz
Die Revision des Steuergesetzes bildete einen Schwerpunkt der Session. Fast zwei Tage wurden die Änderungen im Gesetz intensiv beraten und diskutiert.
Als zentrale Punkte in dieser Steuergesetzrevision erwiesen sich folgende Punkte:
- Umsetzung der STAF (Bundesgesetz über die Steuerreform und die AHV-Finanzierung) – Vorlagen des Bundes für Statusgesellschaften
- Erhöhung der Kinderabzüge für Drittbetreuung
- Erweiterung der Abzüge für Energiesparmassnahmen bei privaten Bauten
- Weitere kleinere Anpassungen und Aktualisierungen
In der vorgelegten Steuergesetzrevision waren keine Anpassungen der Steuertarife vorgesehen, weder für natürliche noch für juristische Personen. Steuersenkungen sind für die Jahre 2021 und 2022 geplant. Im Rahmen der jeweiligen Budgets wird der Grosse Rat über diese Steuersenkungen entschieden können.
Mit der in der ersten Lesung verabschiedeten Gesetzesrevision nutzt das Parlament den vom Bund vorgegebenen Spielraum bei der Umsetzung der STAF–Vorlage. Die beschlossenen Massnahmen sehen Steuerausfälle von 87 Mio. Franken bei den juristischen Personen vor. Diese werden durch Abgeltungen vom Bund in der Höhe von 69 Mio. Franken gegenfinanziert.
Die Kinderabzüge für Drittbetreuung werden von heute Fr. 8‘000.- auf Fr. 16‘000.- pro Kind verdoppelt. Bei energietechnischen Massnahmen können weitere Steuerabzüge vorgenommen werden. In der Frühlingssession wird das Steuergesetz in zweiter Lesung nochmals beraten und verabschiedet. Das Gesetz soll sodann am 1. Januar 2021 in Kraft treten.
FFG und Notariatsgesetz
Feuerschutz- und Feuerwehrgesetz (FFG)
Die Änderung des Feuerschutz- und Feuerwehrgesetzes könnte kurz auch wie folgt beschrieben werden: Die Aufhebung des Kaminfegermonopols. Der Grosse Rat hat diese Änderung grossmehrheitlich beschlossen. Das heisst, dass im Kanton Bern die Kaminfegerinnen und Kaminfeger künftig nicht mehr für einen fest zugeteilten Kreis gewählt, sondern für eine Tätigkeit im ganzen Kantonsgebiet konzessioniert werden. Dementsprechend wird es der Gebäudeeigentümerschaft obliegen, rechtzeitig eine konzessionierte Person ihrer Wahl mit der Reinigung und Kontrolle der Heizungsanlage zu beauftragen. Diese Person kann ihren Betriebsstandort auch ausserhalb des Kantons Bern haben. Zentrale Konzessionsvoraussetzung bleibt aber das eidg. Kaminfegermeisterdiplom. Zusätzlich bleibt die GVB auch weiterhin Aufsichtsbehörde über das Kaminfegerwesen.
Notariatsgesetz
Der Grosse Rat lehnte in der ersten Lesung des Notariatsgesetzes einen radikalen Systemwechsel bei den Notariatsgebühren ab. Vielmehr folgte der Rat der vorberatenden Justizkommission, die einen Mittelweg befürwortete. Dieser sieht vor, dass nur ein Teil der Gebühren künftig nach Zeitaufwand bemessen wird und zwar für Geschäfte ohne Geschäftswert wie zB Eheverträge, letztwillige Verfügungen oder Beglaubigungen und dies verbunden mit einer Mindestgebühr.
Bei Geschäften mit Geschäftswert hingegen wie beispielsweise Grundstückkaufverträge oder Fusionen soll weiterhin der gestaffelte Rahmentarif gelten.
Die Ausgestaltung der Gesetzesänderung mit einem reinen Zeitaufwand, wie dies die Regierung vorgeschlagen hatte, hätte bedeutet, dass die sozialverträgliche und bewährte Quersubventionierung zu Gunsten der sozial Schwächeren und zu Lasten der wirtschaftlich Stärkeren weggefallen wäre. Anders gesagt, würde es die ländlichen Regionen nachteilig treffen bzw. insbesondere für die Landbevölkerung, aber auch für die Landnotare hätte dies gravierende finanzielle Folgen. Einfache, aber bearbeitungs- und zeitintensive Geschäfte würden kostenmässig stark ansteigen und/oder auf diesbezügliche Beurkundungen würde wohl in gewissen Fällen verzichtet und damit die Rechtssicherheit gefährdet. „Der Kanton hat ein Interesse daran, dass Notariate als juristische Grundversorgung nicht nur auf Städte und Agglomerationen konzentriert werden“, bestätigte der Regierungsrat in seinem Vortrag. Die Revision mit reinem Zeittarif hätte aber höchstwahrscheinlich genau das Gegenteil bewirkt.
Der Grosse Rat hat dies erkannt und sowohl der Einführung eines reinen Zeitaufwandes, wie auch der Einführung eines Amtsnotariates, wie dies von linken Kreisen verlangt wurde, eine deutliche Abfuhr erteilt.
Die vom Regierungsrat vorgeschlagene Lockerung der Organisationsvorschriften unterstützte der Grosse Rat ebenfalls. Damit sollen Notarinnen und Notare ihren Beruf nicht nur freiberuflich, sondern auch in der Rechtsform einer AG, einer GmbH oder Bürogemeinschaft ausüben können. Wie bisher dürfen sie gelegentlich, aber nicht gewerbsmässig auch Liegenschaften vermitteln. Eine Provision dafür dürfen sie jedoch nicht erhalten.
Weitere Geschäfte
Einführungsgesetz zum Ausländer- und Integrationsgesetz sowie zum Asylgesetz (EG AIG und AsylG)
In der zweiten Lesung des EG AIG und AsylG war einzig die Härtefallregelung noch offen bzw. gab nach verschiedenen, teilweise kontroversen Zeitungsberichten in jüngster Zeit viel zu reden, so auch im kantonalbernischen Parlament. Auch Dank der BDP gelang es einmal mehr, im Grossen Rat trotz Gegenwind der Regierung, einer Kompromisslösung zum Durchbruch zu verhelfen und im Gesetz vorzusehen. Für junge Flüchtlinge, die sich in einer Lehre befinden und einen abweisenden Asylentscheid bzw. einen Wegweisungsentscheid haben, werden die Kantonsbehörden verpflichtet, den Spielraum der bundesrechtlichen Vorgaben aktiv auszuschöpfen und für die Betroffenen beim Bund entsprechende Gesuche einzureichen. Dies bedeutet, dass sie die Lehre noch beenden können und diese nicht per sofort abbrechen müssen. Das soll kein Schlupfloch sein. Vielmehr sollen damit Härtefälle geregelt werden, die sich systembedingt heute so ergeben haben. Dies ist auch im Interesse der KMU bzw. der Lehrbetriebe, die vorgängig viel Zeit, Geld und Herzblut in die Ausbildung gesteckt haben.
Spitallandschaft im Umbruch
Der Grosse Rat folgte dem Antrag der Geschäftsprüfungskommission und verlangt von der Regierung als Allein- oder Mehrheitsaktionär der meisten Berner Spitäler einen Bericht mit einer Auslegeordnung zur bernischen Spitallandschaft. Die Spitäler stehen bekanntlich landesweit unter Druck. Immer mehr Behandlungen werden ambulant zu Tarifen durchgeführt, die für die Spitäler mit ihrer heutigen Ausrichtung und Infrastruktur nicht kostendeckend sind. Gleichzeitig sind die Spitäler seit 2012 verpflichtet, ihre Infrastruktur mit Hilfe eines dafür vorgesehenen Kostenanteils der Fallpauschale selbständig zu finanzieren. Eine Studie von Pricewaterhouse Coopers aus dem Jahr 2018 zeigt aber, dass die Spitäler – auch die Bernischen Spitäler - dafür zu wenig Gewinn erwirtschaften. Dieser Bericht soll nun Antworten liefern, welche Risiken für den Kanton aufgrund der Entwicklungen in der Spitallandschaft bestehen. Die Fragen, die aufgegriffen werden sollen, sind zahlreich: Ist die alleinige Steuerung über die Instrumente des Spitalversorgungsgesetzes wirklich effektiv? Welche Risiken ergeben sich aus der Tatsache, dass der Kanton zugleich Eigentümer der öffentlichen Spitäler, Besteller, Regulator und Finanzierer ist? Welche Spitalversorgung braucht es im Kanton künftig, wenn immer mehr Eingriffe ambulant erfolgen? Wie viele Spitalbettenbenötigt der Kanton in 20 bis 30 Jahren? Was bedeutet der demografische Wandel für den künftigen Bedarf an Spitalinfrastrukturen? Sind in Grenzgebieten zu anderen Kantonen Kooperationen möglich, um Kosen zu sparen? Welche Art von Versorgung sollen die Regionalspitäler künftig erbringen? Wie müssen sich die Rettungsdienste angesichts des Umbruchs anpassen? Wie wirkt sich der Fachkräftemangel auf das künftige Spitalangebot aus?
Im Bericht soll der Regierungsrat überdies aufzeigen, welche Vorkehrungen getroffen werden müssten, um die Risiken zu reduzieren und eine versorgungspolitisch funktionierende und zugleich wirtschaftliche Spitalversorgung sicherzustellen. Mit dem geforderten Bericht soll eine Grundlage geschaffen werden, damit der Kanton frühzeitig die Weichen stellen kann.
Monika Gygax-Böniger
Grossrätin BDP